Besuch der Baustelle von Carmen & Paul

Da sind wir, also. Nairobi. Lange ist‘s her, dass einer von uns zuletzt hier war. Natürlich hat sich vieles verändert. Eine Veränderung aber interessiert uns am meisten und so sitzen wir am Tag nach unserer spätabendlichen Ankunft zusammen mit der Schulleiterin Alice und ihrem Sohn Willy im Auto auf dem ruckeligen Weg in Richtung Mowlem. Willy und Alice sind wohl ebenso aufgeregt wie wir es sind. Die Gegend, in der das neue Schulgebäude steht, kennen wir bereits, da es in unmittelbarer Nachbarschaft zum bisherigen Schulhaus steht. Es herrscht wie immer buntes Treiben. Kinder drängen sich um kleine Shops herum, es wird gehandelt, Waren werden auf Handkarren transportiert, auf kleinen selbstgebauten Grills brutzeln Maiskolben und Hühnchen vor sich und aus allen Ecken wummert Musik. Die Straße wird schlechter, es liegt viel Plastikmüll in der Gegend herum und schließlich halten wir vor einem Gebäude, das uns riesig erscheint und von dem Alice und Willy behaupten, es sei die neue Schule. Wir sind ziemlich fassungslos und ungläubig, doch dann öffnet sich eine Tür im Blechzaun, der das ganze Grundstück umgibt, und eine Frau, die dort momentan auf dem Bau beschäftigt ist, lässt uns hinein. Das Gebäude befindet sich kurz vor Abschluss der vorletzten Bauphase. Das heißt, die Grundarbeiten wie beispielsweise das Hochziehen der Mauern, die Verlegung von Leitungen oder das Einsetzen der Fenster stehen kurz vor der Fertigstellung. Danach muss allerdings noch einiges geschafft werden, bis das Haus beschulbar wird. Dazu zählen Arbeiten wie das Verputzen und Streichen der Wände, die Installation von Wassertanks auf dem Dach, einschließlich der dazugehörigen Pumpe oder das Anbringen von Toiletten und Waschbecken. Alice führt uns durch die Räume, von denen sie bereits eine genaue Vorstellung hat, was dort einmal stattfinden wird. So schauen wir aus dem Fenster des Klassenraums der Pre-Unit oder betrachten die Vorrichtung für Stromleitungen im Office. Die Details der Planung sind genaustens mit dem Bildungsministerium abgestimmt, was zwar viel Arbeit war, aber sehr ratsam ist in einem Land, in dem leider oftmals Korruption und Willkür auf behördlicher Ebene herrschen. Alice führt uns durch die drei Stöcke des Baus und schließlich auf das Dach, von dem aus wir Mowlem überblicken können, das einersteits durch Dust-Roads, Wellblechhütten und Bauruinen auffällt, andererseits durch ein lebendiges Durcheinander, in dem Kinder auf der Straße spielen, Hunde vor kleinen Metzgerbetrieben auf Reste hoffen und trotz der enormen Armut viel Gutherzigkeit in der Luft liegt. Das Haus, auf dessen Dach wir stehen, wird einmal mehr sein als eine Schule. Alice spricht vom „Safisha Center“, wo Kinder nebst Schulbildung und Ernährung eine praktische Ausbildung erfahren, die es ihnen ermöglichen soll, da draußen einen Job zu finden und Geld zu verdienen, um sich eine selbstständige und freie Existenz aufzubauen. Wir sind sehr mitgerissen von Alices Visionen für diesen Ort und wenn wir uns überlegen, dass wir dort oben gerade auf dem Dach eines 3-stöckigen Gebäudes stehen, von dem vor einem Jahr nicht einmal der Grundstein lag, sind wir uns irgendwie gewiss, dass das alles genau so passieren wird. Wir haben mit dem Bau des neuen Schulgebäudes ein Projekt gestartet, mit dem wir uns alle auf Neuland begeben haben. Zudem befindet sich dieses Neuland in einer der schwierigsten Umgebungen, die man sich vorstellen kann. Alice erzählt von Korruption, wie sie sich zunächst weigerte gewisse Bribes, wie die Schmiergelder hier genannt werden, zu zahlen, um schließlich in einer Gefängniszelle einsehen zu müssen, dass es ohne sie nicht geht. Dazu kommt der ganze Organisationsaufwand auf der Baustelle. Es sind Arbeiter verschiedenster Fachrichtungen beteiligt, es müssen Rechnungen geprüft, Material nachgezählt und Kostenvoranschläge ausgehandelt werden. Dazu ist Alice zum Teil selbst zu den Zulieferern gefahren, um Bestellungen zu prüfen. Sie wurde mit irrsinnigen Geldforderungen konfrontiert und musste schnell feststellen, dass ihre ständige Präsenz auf der Baustelle unerlässlich ist, wenn nicht Unsummen versickern sollten. Ein knappes Jahr nach Baubeginn zeigen uns Alice und Willy, was sie geschafft haben und es klingt durch, dass es für sie eine harte Zeit war. Sie sind stolz auf das, was sie dort geleistet haben, aber entschuldigen sich vorsichtig, dass das Gebäude nicht schon fertig ist. Was wir dort sehen, übertrifft unsere Vorstellung davon, in welchen Dimensionen sich der Bau bewegt. Wir sehen ein monumetales Gebäude, das zwar noch in Kinderschuhen steckt, aber bereits von Visionen beseelt ist. Wir sind voller Hoffnung und Entschlossenheit, das Projekt Schulbau in seiner letzten Phase voran zu bringen und den Weg für das Safisha Center in Mowlem zu ebnen. Wir halten euch auf dem Laufenden in Bild und Text.

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