Peru

Buenas tardes amigas y amigos de Safisha

mit kleinem Schrecken stellen wir fest, dass zwei ganze Monate ins Land gezogen sind seit wir zuletzt von uns hören ließen. Zwei aufregende Monate in Peru, die in vielerlei Hinsicht anders verliefen als erwartet. Jetzt da wir die peruanisch-bolivianische Grenze vorausichtlich übermorgen via Schiff über den Titikaka-See überqueren werden, scheint uns ein guter Zeitpunkt, über die einen oder anderen Erlebnisse der vergangenen Wochen zu berichten. Der Blick zurück ist nicht ganz einfach, da die letzte Zeit sehr ereignisreich war und es sich anfühlt, als hätten wir nicht ein Land sondern viele verschiedene Perus durchquert. Sicherlich steckt in diesem Eindruck insofern ein Quäntchen Wahrheit, dass Peru sowohl klimatisch als auch von den Menschen her sehr divers ist. Von Ecuador kommend hielten wir uns im peruanischen Norden zunächst auf Seiten der Küste. Der Pazifik ist wunderbar weitläufig, hier und da zwar von Ölbohrinseln gestört, doch ansonsten von Delfinen, Schildkröten, Seelöwen und Surfer*innen bevölkert. Es wird im großen wie kleinen Stil gefischt, die Sonne scheint bei sommerlichen Temperaturen und die Leute lassen es der Hitze entsprechend meist eher tranquillo angehen. Wir zelteten oftmals am Strand, wo wir stets willkommen waren, genoßen das flache weite Land, das sehr im Kontrast zu unseren Andenabenteuern stand und verbrachten schließlich ganze zwei Wochen in einem hübschen kleinen Surfer-Dörfchen namens Lobitos. Es gefiel uns, für den Augenblick mal wieder so etwas wie Sesshaftigkeit zu erleben, die in einem derart kleinen Dorf dem Gefühl nach schnell einsetzt.

Kurz vor Weihnachten, als wir unseren Weg in Richtung Lima schließlich fortsetzten, hatten wir der ganzen Gemülichkeit entsprechend dann auch einen Strandhund dabei, der unsere Radtour seither erheitert. Mit dem gemütlichen Weiterfahren war es dann auch schnell vorbei, da uns der Fahrradanhänger, in dem wir unsere hündische Neuigkeit zu transportieren gedachten vor ungeahnte Schwierigkeiten stellte. Um es kurz zu sagen, wir hatten eine Menge Pannen von einfachen Platten über geplatzte Mäntel bis hin zu zerschredderten Kugellagern war alles vertreten.

Weihnachten verbrachten wir demnach mehr oder weniger freiwillig in einem völlig untouristischen, weil völlig unspektakulären Städtchen namens Piura, wo uns einzig das massive Feuerwerk an Heiligabend und der verbreitete Aperitivo “Leche de Tigre”, eine Art kalte, sehr salzige Fischsuppe, die in Gläsern aufgetischt wird, überraschte. Die Weihnachtsfeiertage zogen dahin und wir entschieden uns den Streckenabschnitt bis Lima mittels Mietwagen zurückzulegen, um Silvester in der Hauptstadt zu feiern. Dank Auto erschlossen sich uns auf unserem fünftägigen Roadtrip auch abgelegenere Strände und Fischerdörfchen und pünktlich zum 31.12 stürzten wir ins Verkehrschaos der peruanischen Hauptstadt, die nicht nur in natürlichem Nebel, sondern auch in Abgasen und Menschenmassen versinkt.

Ins neue Jahr rutschten wir noch in unserer anfänglichen Vierergruppe. Katja und Manu entschieden sich jedoch danach, die weitere Reise ohne Fahrrad fortzusetzen und verkauften ihre Räder in Lima. Am 1. Januar flog dafür Sue aus der Schweiz ein, um während ihrem einmonatigen Urlaub mit uns mitzuradeln.

Neben dem Abschiednehmen und Willkommenheissen galt es in Lima noch einiges an Business zu erledigen. Wie erhofft stellte es in der großen Stadt kein allzu großes Problem dar, einen neuen Hundeanhänger aufzutreiben und diesen beim Mechaniker ums Eck noch zurechtschweißen zu lassen. Anfang 2023 fanden wir uns also neuaufgestellt und motiviert in der Mitte des Landes wieder, bereit, den Süden zu erkunden. Zunächst ging es noch ein paar wenige hundert Kilometer an der Küste entlang, bevor wir ab Paracas gen Osten den Weg ins Landesinnere einschlugen. Das hieß in unserem Fall zweierlei: Wüste und (natürlich) wieder Anden. Innerhalb von hundert Kilometern fuhren wir auf 3700 Meter über dem Meeresspiegel. Das waren drei unvergessliche Tage puren Bergauffahrens in menschenleerer Wüstenlandschaft mit wunderschönen Camping-Spots am Abend, glühenden Sonnenuntergängen und einem Gefühl die einzigen Menschen auf diesem Planeten zu sein.

Auf der Höhe angekommen, schlug das Klima schlagartig um und wir fanden uns mitten in der peruanischen Regenzeit wieder. Horrende Temperaturschwankungen, Lama-Herden, grünende Ackerlandschaften und plötzliche, heftige Gewitter waren die Folge. Zu unserer Überraschung fanden wir auf 4000 MüM Flamingos, Möwen und eine Menge Meerschweinchen. Letztere aber eher im Stall als in freier Wildbahn, da sie gern gekocht, gegrillt oder frittiert werden, um als Cuy Frito oder Caldo de Cuy auf der Speisekarte zu landen. Das Leben in den Anden ist sicherlich kein Zuckerschlecken. Die Menschen arbeiten hart, bestellen ihre Felder bei Wind und Wetter und leben mit der ganzen Familie in unbeheizten kleinen Hütten oder Häuschen. Man schläft in dicken Pyjamas unter mehrern Wolldecken. Traditionell tragen die Frauen bunte Wollröcke und elegante Filzhüte, während die Männer in recht langweiligen Polyesterjacken herumstiefeln. Häufig wurden wir von Vertreter*innen der zahnlosen, älteren Generation auf Quechua angesprochen, woraufhin unser entschuldigendes Schulterzucken mit großer Heiterkeit aufgenommen wurde.

Tatsächlich kamen wir in letzter Zeit, um die bekannte Inka-Stadt Cusco herum mit sehr vielen Einheimischen in Kontakt. Dies geschah hauptsächlich an den unzähligen Straßenblockaden, die von der indigenen Bevölkerung im kompletten Süden des Ladens teilweise im Zwei-Kilometer-Takt errichtet wurden. Seit der Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten, Anfang Dezember 2022, befinden sich Peru politisch in Unruhe. Durch brutales Vorgehen der Sicherheitskräfte gegenüber indigenen Demonstrant*innen, das inzwischen fast 60 Menschenleben forderte, wurden die Fronten derart verhärtet, dass die Leute in den Anden einen “Paro indefinido”, einen unbegrenzten Streik, ausgerufen haben. Nicht nur der Tourismussektor liegt brach dieser Tage, auch sind viele Hauptstraßen und Exportrouten sowie Flughäfen blockiert. Die Gewerkschaften und große Bürger*innen-Verbände haben vermehrt dazu aufgerufen, den Protest nach Lima, ins politische Zentrum Perus zu tragen. Viele sind den Aufrufen gefolgt. Die Hauptforderungen der Menschen sind der Rücktritt der regierenden, ehemaligen Vize-Präsidentin, die für die Gewalt verantwortlich gemacht wird und inzwischen weder Rückhalt in ihrer eigenen Partei noch in Bevölkerung hat, und die Auflösung des als weitesgehend korrupt geltenden Kongresses, um möglichst bald Neuwahlen abzuhalten. So dramatisch die Lage oftmals in den Nachrichtensendungen im TV wirkt, so besonnen haben wir die Demonstrant*innen an den Straßenblockaden jedoch erlebt. Trotz der horrenden Wut auf die politischen Zustände hier im Land, waren die Leute stets seht differenziert. Als Touristen und Gringos wurden wir mit unseren Rädern immer problemlos durchgewunken, da es Konsens war, dass wir nichts mit den Zuständen zu tun haben. Vielmals war den Leuten sogar daran gelegen, uns ihre Lage zu erklären und dass zu wenig von den Millionen aus dem Andentourismus rund um Macchu Picchu und den Gewinnen, die die Minengesellschaften in der Region einfahren, bei den Menschen vor Ort ankomme. Ein Bild, das sich uns leider durchaus erschließt, liest man einmal die Umsätze nach, die in Cusco aus dem Welttourismus erwachsen, während ein paar Kilometer weiter Wellblechdächer lecken, Straßen halbherzig zusammengeflickt sind und viele Kinder nach wie vor tagsüber auf dem Feld oder beim Hüten der Tiere sein müssen, anstatt eine Schule zu besuchen. Wir sind tiefer in diesen Konflikt hineingeraten als uns lieb war, doch gilt unsere Solidarität den Menschen, die ihr Recht auf eine faire Beteiligung an den Gewinnen, die aus den Kulturschätzen Perus geschöpft werden, in der Verfassung verankern wollen. Wir hoffen, dass es Akteur*innen innerhalb der politischen Elite in Lima gibt, die daran interessiert sind, diesen Konflikt friedlich beizulegen und den Menschen, die lediglich ihre demokratischen Grundrechte einfordern, entgegenkommen.

So verlassen wir Peru mit gemischten Gefühlen, während es vor unserem Fenster in Juliaca wieder einmal in Strömen regnet und unsere Wäsche ganz sicher bis morgen nicht trocken sein wird. Doch gemütlich haben wir es bei unserem netten Gastgeber Giovanni, der seit 10 Jahren Fahrradreisenden auf ihrem Weg von Nord nach Süd oder andersherum kostenfreie Unterkunft und die Mitbenutzung seiner wunderbaren Küvhe gewährt. Ein richtiger Herd mit vier Flammen ist für uns natürlich immer noch ein Highlight dieser Tage, weshalb wir es uns nicht nehmen lassen, heute Abend eine ausgiebige Koch-Session einzulegen. Wenn alles nach Plan läuft, tuckern wir schon Montagmorgen auf einem Schiff den Titikaka-See gen Südosten und überqueren irgendwo die unscheinbare Seegrenze nach Bolivien. Dem Hund wird’s gefallen.

Ecuador

Vor einer Woche haben wir Ecuador verlassen und reisten nach Peru ein. Anstelle von riesigen Bergen und teilweise eisigen Temperaturen umgeben uns aktuell wunderschöne Strände, die Wüste und hitziges Sommerklima.

Den heutigen Off-Tag im kleinen Surferdörfchen Lobitos nutzen wir um unsere Beine hochzulegen, Ceviche zu essen, die Seele baumeln zu lassen und euch ein bisschen von Ecuador zu berichten.

Gestartet sind wir in Ecuador auf einer unerwartet unwegsamen Piste, die uns unsere Navigations-App als „Radweg“ vorschlug. Die Hauptstrasse „Panamericana“ ist zwar jeweils gut intakt und meistens mit einem Seitenstreifen ausgestattet aber aufgrund des vielen Verkehrs für uns mit dem Fahrrad trotzdem anstrengend zu fahren. So traten wir also dankend die Alternativroute an. Ein wunderschöner Nationalpark erwartete uns. Unbesiedeltes Hochland mit einer atemberaubend schönen und unberührten Landschaft. Der Weg wurde jedoch immer steiniger und schlechter bis er praktisch unbefahrbar war. Ständig mussten wir unsere Fahrräder aufgrund von Erdrütschen, Matsch oder Wasser schieben. Dazu kamen eisige Temperaturen und tösender Regen. Zugegebenermassen haben wir uns den ersten Anstieg auf 3700müM etwas anders vorgestellt und haben es nur mit Ach und Krach, vollkommen durchnässt und mit quietschendscheppernden Fahrrädern zurück in die Zivilisation geschafft.

Nach dieser Erfahrung versuchten wir zwar immer noch der Panamericana auszuweichen aber traten den eingezeichneten Fahrradwegen jeweils nicht mehr vorbehaltlos entgegen. Nach ein paar Ruhetagen in Quito, der höchstgelegenen Hauptstadt der Welt, erwarteten uns Ecuadors berühmte Vulkane, abertausende Anstiege und wunderschöne Campingspots. Wir radelten konstant auf über 2500müM und kletterten schließlich bei Riobamba auf 3800müM. Damit hatten wir unseren ersten Andenhöhepunkt erreicht und genossen die zweitägige, steile Abfahrt bis an die Küste.

In Ecuador konnten wir im Allgemeinen viel mehr campen als in Kolumbien. Trotzdem freuten wir uns, sobald wir mal unsere Zelte eingepackt liessen, sehr über die immer vorhandenen warmen Duschen. Unser treuer Benzinkocher lief allabendlich heiß und wir schlugen uns die hungrigen Radlerbäuche mit den zahlreichen Gemüsesorten und Früchten voll, die am Strassenrand dargeboten werden. Anfänglich überraschte uns, dass man unabhängig davon, welches Gemüse wir kaufen wollten, stets den Preis von einem Dollar verlangte. Bald aber ging uns auf, dass es Gang und Gäbe war, anstelle von Rückgeld lieber die Gemüse- bzw. Obstration aufzustocken. So gab es für einen Dollar mal drei Mangos oder vier kleine Avocados, mal eine Ananas oder einen Haufen Zwiebeln. Auch eine Zahnpastatube ging für einen Dollar über den Ladentisch, genauso wie eine 1l-Colaflasche.

Wir sind gespannt, welche kulturellen Eigenheiten wir in Peru antreffen und freuen uns auf die sommerliche Weihnachtszeit.

Da das Internet hier noch mehr zu kämpfen hat, als wir im Gegenwind in der Wüste, bleiben für heute die Fotos aus und werden bei Gelegenheit nachgeliefert…

Kolumbien

Vor ein paar Tagen haben wir Kolumbien hinter uns gelassen und sind nun schon in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito.

Anstatt einen langen Bericht zu schreiben haben wir euch ein Video von unserem ersten Monat auf dem Fahrrad zusammengeschnitten.

Ecuador bietet viele neue Szenerien, eine ähnliche und doch andere Kultur, einige für unsere Velos herausfordernde „Strassen“ und beträchtliche Berge und Vulkane. Darüber werden wir gerne im nächsten Blogbeitrag berichten.

Zunächst wollen wir euch aber auf eine Kleinigkeit aufmerksam machen. Denn sogar in Ecuador stehen leuchtende Schneemänner an der Strasse, die Läden sind bis in die hinterste Ecke mit Weihnachtsdekoration ausgestattet und der künstliche Schnee steht bereit. Falls Europa euch also alle diese Hinweise noch nicht gegeben hat: die Weihnachtszeit steht vor der Tür!

Um der westlichen Konsumorientierung dieser Zeit etwas zu entkommen, gibt es vielleicht auch bei euch die Gelegenheit, das eine oder andere Geschenk zu überdenken und stattdessen einen Beitrag an ein gemeinnütziges Projekt zu leisten. Ganz nebenbei: eine Spende an Safisha kann sogar von den Steuern abgezogen werden…

Und wenn doch das eine oder andere Weihnachtspäckli an eure Liebsten nicht wegzudenken ist, wäre vielleicht sogar eines unserer Lunchtüecher eine Option, mit welchem ihr sowohl ein gutes Projekt unterstützt wie auch euren Freund*innen eine Kleinigkeit schenken könnt.

Wir hoffen, Safisha so unterstützen zu können, dass sie gut und zuversichtlich ins neue Jahr starten können und danken euch herzlich für eure riesige und wertvolle Hilfe.

1000km on the road

Liebe SFSA-Freund*innen

Umgeben von schrägen Halloweenkostümen und schmuckbeladenen Lamas, auf denen Kinder reiten, freuen wir uns über die ersten 1000 km auf dem Rad. Wir sind in Popayán, im Süden Kolumbiens, angekommen und gönnen uns einen fahrradfreien Sonntag.

In der letzten Woche ging es endlich auch mal mehr oder weniger geradeaus. Wir fuhren zwischen Zuckerrohrfeldern und Bambuswäldern und fanden Unterkunft in netten, kleinen Städtchen, die unseren Weg kreuzten. Das Zelt blieb dabei leider unausgepackt mangels Camp-Möglichkeiten. Wegen der Regenzeit kamen wir allerdings nicht immer ganz trocken oder auch klitschnass ans Ziel, weshalb uns ein trockenes, bescheidenes Dach über dem Kopf manchmal durchaus gelegen kam.

Ab morgen lassen wir die Hauptstrasse links liegen und nehmen Berge bis 3200 Meter über Meer, Nationalparks und etwas Schotterpiste auf unserem Weg nach Pasto ins Visier. Unsere letzte kolumbianische Etappe hat begonnen, bevor es über die Grenze nach Ecuador geht.

Grüsse aus Hemdsärmeln bei 28 Grad Sonnenschein.

Buenas tardes chicos

Während sich die unzähligen Medellíner Bars langsam mit schickem Publikum füllen, legen wir die schweren Beine hoch. Auf der winzigen Dachterrasse unserer kleinen Absteige lässt sich die erste Etappe unserer Tour gemütlich Revue passieren. 7 Tage auf dem Rad, von Bogotà nach Medellín, knapp 6000 Höhenmeter, ellenlange Abfahrten in die schönsten Urwald-Täler, zwei Platten, einzelne Sintflut-artige Regenfälle, lärmende Trucks und eine Menge Reis, Bohnen und Eier. Kolumbien hat uns herzlichst empfangen. Ob in der Stadt oder auf dem Land, überall stiessen wir auf die gastfreundlichsten und hilfsbereitesten Menschen. Dazu überwältigte uns die Natur in den Andenausläufern. Das Land grünt und blüht und trägt die exotischsten Früchte wohin das Auge blickt. Zwischen Bananenbäumen und Palmengewächsen schlugen wir entweder unsere Zelte auf oder übernachteten in kleinen Zimmern, deren Vermietung an Reisende ein gutes Geschäftsmodell für viele Familien in den Bergen ist. Unser Schlafrhythmus hat sich dabei, verglichen mit gar nicht allzu lang zurückliegenden Zürcher Gastro-Nächten, stark nach vorne verschoben. Die Sonne geht hier bereits um 17.30 Uhr unter und eine halbe Stunde später ist es stockduster draußen. Bei Kerzenlicht und unserem tatsächlich sehr gemütlichen elektronischen Lagerfeuerschein kochten wir meist kurz nach Einbruch der Dunkelheit ein mehr oder weniger nahrhaftes Abendessen, sofern es uns gelang den Benzinkocher ans Laufen zu bringen. Doch auch seine Handhabung glückt uns immer besser, wie so einiges, was das Radlerleben mit sich bringt und wir uns wieder aneignen müssen. Dazu zählt etwa das konsequente Verstauen all unserer Habseligkeiten in wasserfeste Säcke, wenn wir uns abends ins Zelt legen, oder daran zu denken, stets ein paar Kekse in der Lenkertasche zu haben für den Fall, dass ein kleiner Zucker-Booster beim nächsten kilometerlangen Anstieg nötig wird.

Für heute lassen wir die Kekse aber erstmal Kekse sein und stoßen mit einem guten Club Colombia Roja auf den erfolgreichen Start unserer Fahrrad-Reise an. Wir sind voller Vorfreude auf die nächste Etappe und fühlen uns bereits ein wenig verloren ohne Sattel unterm Füdli.

Auf Hochtouren

Ende September. Einmal kurz umgedreht und plötzlich ist es Herbst in Europa. Der Wollpulli wurde bereits gewissenhaft entfusselt. Schal und Mütze tragen sich zwar noch etwas sperrig, doch die Eindrücke aus einem der heißesten Sommer seit es Hitze gibt verblassen zügig. Man erwischt sich beim Gedanken, ob die kleine Studi-Bude nicht auch mit Kerzen zu erhellen wäre, aber möchte auch nichts schwarzmalen.

In Kenia wurde die Bevölkerung unterdessen wieder einmal an die Urnen gebeten, um in höchst fragwürdiger Manier das neue Staatsoberhaupt zu bestimmen. Das politische Klima im Land ist drückender als der Gaspreisdeckel. Die Preise für so ziemlich alles stagnieren auf einem viel zu hohen Niveau und die Korruption frisst sich immer hemmungsloser durch alle Bereiche des öffentlichen Lebens.

Bei Safisha haben wir damit unsere Sorgen dieser Tage, da der Behördenwahnsinn grassiert und uns das Leben schwer macht. Carmens und Pauls Präsenz zu Beginn diesen Jahres ist in Mowlem, rund um das neue Schulgebäude, nicht unbemerkt geblieben. Alice wird seither schamlos von jeder Art “Offiziellen“ bedrängt, die mit Verordnungen, angeblichen Genehmigungen und Bußbescheiden herumfuchteln und Kasse machen wollen. Meistens stecken ein paar Richter mit drin, um die Leute schnell und chancenlos auszunehmen. Uns besorgen diese Entwicklungen ernsthaft. Allzu deutlich haben wir Alice Kidnapping im letzten Sommer vor Augen, das aus eben einer solchen Situation heraus entstand. Nie wieder darf es passieren, dass Alice ins Gefängnis gesteckt wird. Leider müssen wir uns den Realitäten stellen und diese sprechen eine eindeutige Sprache: Zahlen oder Knast. Wer in einem funktionierenden Rechtsstaat aufwuchs, tut sich schwer mit solchen Erkenntnissen und es fühlt sich wie ein großes Opfer an, korrupt-kriminellen Strukturen nachzugeben. Was mit dem ganzen Geld alles für die Kinder getan werden könnte, mögen wir uns gar nicht ausmalen. Aber resignieren hilft auch nichts, deshalb kommen wir jetzt zum schönen Teil dieser Ankündigung, dem sie ihre Überschrift verdankt. Carmen und Paul gehen auf grosse Fahrradtour. Mit der Aktion Cycle For Safisha Africa 2 knüpfen wir an unsere erste erfolgreiche Fundraising-Tour im Jahr 2017 an, aus der schliesslich unser kleiner Verein hervorging. Mit zwei Mitradelnden durchqueren wir diesmal den südamerikanischen Kontinent von Nord nach Süd. Wir gehen also back to the roots! Oder besser biken back to the roots. Auch dieses Mal dokumentieren wir unsere Abenteuer. Wir starteten bereits einen Bild-Blog bei Instagram und werden euch ebenfalls über diesen Newsletter auf dem Fahrradfahrenden halten. Auch hat Carmen es schon in zwei Lokalblättchen im Raum Winterthur geschafft, was unserer Reichweite sehr zugute ḱam. In diesem Sinne seid auch ihr herzlichst aufgefordert, euren Freund*innen, Verwandten und Kolleg*innen von CFSA2 zu erzählen!

Unser Ziel ist es, diese Aufmerksamkeit zu nutzen, um interessierten Menschen Safisha vorzustellen und näherzubringen. Natürlich sammeln wir auch Spenden. Denn trotz den gegenwärtigen Turbulenzen, wird der Tag kommen, an dem das neue Schulhaus öffnet. Bis dahin müssen wir noch die Innenausstattung finanzieren, die Küche, Schulmaterialien und Lehrmittel. Ganz fantastisch wäre es, wenn wir außerdem ein paar neue Mitglieder für unseren Verein gewinnen könnten, denn nachhaltige Unterstützung bedeutet für uns vor allem, die monatlichen Kosten bei Safisha zu decken. Wir freuen uns auf die bahnbrechende Eindrücke in den Anden, auf den Staub der Trucks, die die Pan-Americana unsicher machen, auf Guaven und Mangobäume, auf Alpakas und Lamas und darauf, den Unterschied zwischen beiden zu lernen, auf ein halbes Jahr Camping, auf den ersten Einsatz unseres nigelnagelneuen Benzin-Kochers und auf die Stille unter weiten Sternenhimmeln im ganz-und-garen Nirgendwo. Ein spannendes halbes Jahr erwartet uns. Am 7. Oktober heben wir samt Drahtesel ab nach Bogotà und sagen „Hasta pronto, amigos“!

Endspurt

In den vergangenen Wochen wurde nochmals richtig Gas gegeben und wir können noch gar nicht fassen, wie weit das Schulbauprojekt nun schon fortgeschritten ist.

Die Bilder sprechen für sich…

Trotzdem sind noch einige Arbeiten zu erledigen, bevor das Schulhaus in Betrieb gesetzt werden kann. Wir stecken aktuell in den Vorbereitungen unserer nächsten grossen Velotour, welche wieder als Spendenaktion gestaltet wird. Damit hoffen wir, dass die noch fehlenden Kosten bald abgedeckt werden können und Safisha in naher Zukunft ein neues Zuhause bekommt. Alle Informationen zur Velotour findet ihr auf unserer Webseite. Zudem werden wir euch diesbezüglich in diesem Blog auf dem Laufenden halten.

Bauarbeiten

Wir sind inzwischen schon seit knapp einem Monat in Kenia und durften schon viele Einblicke in die täglichen Arbeiten auf der Baustelle erhalten. Dabei wird uns einmal mehr vor Augen geführt, wie gross Alices Arbeitsaufwand ist. Sie leitet die Bauarbeiten, besorgt die Materialien, überprüft Lieferungen vor Ort, teilt die Arbeitenden auf der Baustelle ein und und und… Ganz zu schweigen von ihrer Funktion als Schulleiterin bei Safisha. Wir ziehen in diesem Zuge alle unsere Hüte vor ihr und sagen: HONGERA!

Der Vorarbeiter auf der Safisha-Baustelle ist John (auch genannt: Baba Alice). Er lebt in Mowlem und ist der Grossvater von einem der Schulkinder. Normalerweise sind die Hälfte der Angestellten auf der Baustelle gelernte Handwerker. Die restlichen Arbeitenden sind jeweils Eltern der Safisha-Kinder und stehen den Handwerkern zur Seite. Bauarbeiten in Kenia werden meistens in Form von Tageslohnarbeiten abgewickelt. Alice gewährleistet stets den Eltern, welche morgens vor der Baustelle auf eine Arbeit warten, den Vorrang. Somit können die Familien unterstützt und die Community gestärkt werden. Es ist sehr beeindruckend, zu sehen, wie alle motiviert mitanpacken.

Viele Abläufe auf der Baustelle sind unseren westlichen Gewohnheiten vollkommen fremd und bringen hie und da verschiedene Herausforderungen mit sich. Beispielsweise wurde kürzlich eine Ladung Sand mit einem LKW geliefert. Sofort versammelten sich viele Locals mit Schaufeln und warteten auf die Arbeitsanweisungen für das Entladen des Sandes, um einen entsprechenden Lohn zu erhalten. Die Bezahlung dieser Arbeit lag nicht in Alices Verantwortung, sondern in derjenigen des Lieferanten. Es begannen sogleich Lohnverhandlungen unter den Beteiligten. Die Diskussionen waren sehr hitzig und bald kam heraus, dass der Lieferant die Männer für einen viel zu kleinen Lohn arbeiten lassen wollte. Da sie dies ablehnten, drohte der Lieferant mit der Polizei. Leider hätte die Anwesenheit der Polizei in diesem Zusammenhang bedeutet, dass die Arbeitnehmenden letzten Endes den Kürzeren ziehen würden. Deshalb griff Alice ein und forderte den Lieferanten dazu auf, seinen Sand wieder mitzunehmen. Nach langem und heftigem Diskutieren setzte sich Alice schliesslich durch und die Arbeitenden wurden angemessen entlohnt.

Für uns ist es eine zwar nervenaufreibende, doch auch spannende und schöne Erfahrung endlich nah bei dem Bau der neuen Schule dabei zu sein. Auch wenn wir während der ersten Monate des Baus stets viel und offen mit Alice kommuniziert haben, schwirrten uns primär Zahlen und Organisatorisches durch den Kopf. Die Anwesenheit vor Ort hat nun eine neue Perspektive in den Vordergrund gerückt. Wir erfahren direkt, wie die Spenden, welche für den Bau aufgewendet werden, nicht nur dazu dienen, dass das Gebäude wächst, sondern die ganze Community gestärkt wird. Viele Familien werden durch die Möglichkeit, auf der Baustelle zu arbeiten, unterstützt. Selbst das Geld, welches für Materialien aufgewendet wird, bleibt meistens bei kleinen Unternehmen in Mowlem. Nicht zuletzt spüren wir hier in Nairobi die ganze Dimension des Safisha-Bauprojekts und sind sehr froh, mitten im Geschehen zu sein.

Wir halten euch auf dem Laufenden und sind nach wie vor dankbar um jegliche Unterstützung. Deshalb: spread the word! 🙂